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(Foto: Presse- und Informationsdienst des Landes Berlin)

Vornehme Bräune oder: Wie man sich am besten vor der Sonne schützt

Die Rolle der Lipid-Nanopartikel für die Entwicklung neuer Sonnenschutzmittel

von Sylvia A. Wissing

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Patienten mit malignen Melanomen sprunghaft angestiegen, weshalb der Schutz vor intensiver UV-Bestrahlung unerlässlich ist. Durch die zunehmende Ozonbelastung reichen die herkömmlichen physikalischen und chemischen Sonnenschutzmittel nicht mehr aus. In ihrer Dissertation konnte Sylvia Wissing nachweisen, dass feste Lipid-Nanopartikel (SLN) ein geeignetes, innovatives Trägersystem für die Entwicklung neuer Sonnenschutzmittel sind.

Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts galt die „vornehme Blässe“ in Europa und Nordamerika als Zeichen für Reichtum und Eleganz. Gebräunte Haut war mit dem Stigma der Arbeit unter freiem Himmel behaftet. Dies änderte sich in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Ärzte die positiven Seiten des Sonnenlichtes bei der Behandlung verschiedener Krankheiten entdeckten und gebräunte Haut in Mode kam. Während zuvor die Damenwelt ihr Gesicht durch große Hüte vor Sonnenlicht schützte, galt braune Haut auf einmal als Symbol für Sportlichkeit, Reichtum, Gesundheit und Schönheit. Um diesem Schönheitsideal zu entsprechen, erhöhte sich die Zeit, die Mitteleuropäer zu Beginn des Jahrhunderts ungeschützt in der prallen Sonne verbrachten. Inzwischen sind die Menschen deutlich vorsichtiger, was nicht zuletzt an den drastisch gestiegenen Hautkrebserkrankungen liegt. Dadurch hat sich in der Bevölkerung das Bewusstsein verstärkt, dass eine intensive UV-Strahlung mit Gefahren für die Gesundheit verbunden ist (Gabard et al. 1999). Eine wichtige Rolle spielt dabei die Problematik des Ozonlochs. So verringerte sich in mittleren Breitengraden die Dicke der Ozonschicht um rund drei Prozent in zehn Jahren. Dies führte zu einer Erhöhung der auf der Erdoberfläche auftreffenden solaren UV-Strahlung (Chisvert et al. 2001). Im Laufe dieses Jahrhunderts wird die globale Zerstörung der Ozonschicht in dramatischer Form weiter fortschreiten, was neue Sonnenschutzmittel erfordert.

Wirkung von UV-Strahlung
Beim Auftreten auf die Erdatmosphäre wird die von der Sonne ausgesendete Strahlung durch Streuung und Absorption des Lichts erheblich geschwächt. Die auf der Erdoberfläche ankommende Strahlung setzt sich aus 4,3 Prozent ultravioletter Strahlung (UV), 51,8 Prozent sichtbarem Licht (VIS) und 43,9 Prozent Infrarotstrahlung (IR) zusammen.
Aufgrund ihrer Wellenlänge und der unterschiedlichen Wirkungen auf den Körper wird die UV-Strahlung in drei Unterbereiche eingeteilt: UV-A (320-400 nm), UV-B (290-320 nm) und UV-C (200-290 nm). Vor allem die UV-B-Strahlung führt zur Bräunung, aber auch zu Sonnenbrand und Hautkrebs. Ihre Intensität ist am größten, wenn die Sonne senkrecht zur Erdoberfläche steht, das bedeutet zwischen 10 und 14 Uhr. Aufgrund der kurzen Wellenlänge dringt die UV-B-Strahlung nur bis in die Epidermis, die äußerste Hautschicht. Dabei bringt sie jedoch eine große Energiemenge ein.
Die durch UV-A-Strahlung eingebrachte Energiemenge ist 1000-Mal geringer als durch UV-B, über den Tag hinweg jedoch konstant. Die UV-A-Strahlung erreicht dafür tiefer gelegene Hautschichten sowie das darunter liegende Fettgewebe und ist für vorzeitige Hautalterung und Allergien verantwortlich.
Die Haut ist durch verschiedene Mechanismen in der Lage, sich gegenüber der Wirkung von Sonnenstrahlen selbst zu schützen. Als wichtigste Adaptionsmechanismen seien die biochemische Adaption, die Bildung von Melanin, die Ausbildung von Lichtschwielen durch Verdickung der Hornschicht sowie die Anregung von körpereigenen Reparaturmechanismen genannt (Kindl und Raab 1993). Diese Vorgänge werden auch als natürlicher Lichtschutz bezeichnet.
Unter dem Begriff „Künstlicher Lichtschutz“ werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die die Haut vor dem Einwirken ultravioletter Strahlung schützen. Dies können ebenso Textilien oder Folien sein wie auch Sonnengläser oder Sonnenmilch mit verschieden starken Lichtschutzfiltern. Sie dienen als Schutzschild zwischen Sonne und Haut und werden abhängig von ihrem Wirkmechanismus in zwei Klassen eingeteilt: in die chemischen Lichtschutzfilter (Absorber) und die physikalischen Lichtschutzfilter (Reflektoren).
Chemische oder molekulare UV-Blocker sind organische, aromatische Verbindungen, die UV-Strahlung absorbieren. Die eingesetzten UV-Filter unterscheiden sich auf Grund ihres Absorptionsbereiches, ihrer Löslichkeit, ihrer Photostabilität, ihres Eindringvermögens in die Haut und ihrer Verträglichkeit (Schwarzenbach 1990).
Erst in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Salicylate als die ersten Lichtschutzmittel eingeführt. Während des Zweiten Weltkrieges erforschten Pharmazeuten auf p-Aminobenzoesäure (PABA) basierende Lichtschutzmittel an amerikanischen Soldaten, die in den Tropen stationiert waren. Diese Sonnenschutzmittel ließen sich schlecht abwaschen und blieben somit lange auf der Haut. Dies führte dazu, dass PABA in der Nachkriegszeit zum beliebtesten Lichtschutzmittel wurde. Erst in den achtziger Jahren entdeckte die pharmazeutische Forschung, dass PABA Allergien hervorrief und Krebs erregende Abbauprodukte enthielt. Erst die Einführung von Oxybenzon ersetzte PABA dauerhaft. Gemeinsam mit Cinnamaten, Dibenzoylmethanderivaten, Benzimidazolen und Campherderivaten werden Benzophenone – meist in Kombination – weltweit verwendet.
Physikalische Lichtschutzfilter sind anorganische Substanzen und Pigmente wie Zinkoxid und Titandioxid. Sie reflektieren oder streuen an ihrer Oberfläche die auftreffende UV-Strahlung. Auf Grund der stark deckenden Eigenschaften blieb ihre Verwendung lange Zeit begrenzt. Erst Anfang der neunziger Jahre, als mikronisiertes Zinkoxid und Titandioxid (Partikelgröße 20-150 nm) zur Verfügung standen, die im sichtbaren Wellenlängenbereich transparent sind, verbesserte sich die öffentliche Akzeptanz. Physikalische UV-Filter haben den Vorteil, dass ihre Lichtschutzwirkung einen breiten UV-Bereich aufweist und die Haut das Sonnenschutzmittel im Allgemeinen gut verträgt. Bis heute lassen sich die physikalischen Filter jedoch schlecht in kosmetisch akzeptable Cremes oder Emulsionen verarbeiten (Bennat 1999).

Anforderungen an Lichtschutzmittel
Wie sieht das am besten schützende und kosmetisch akzeptierte Sonnenschutzmittel aus? Idealerweise sollte ein Sonnenschutzmittel seine UV-blockierende Wirkung bereits in geringer Konzentration entfalten, dabei photostabil sein und nicht oder möglichst wenig in die Haut eindringen, da dies zu Wirkungsverlusten und Nebenwirkungen wie Allergien führen kann.
Anfang der neunziger Jahre wurden so genannte feste Lipid-Nanopartikel (Solid Lipid Nanoparticles, SLN) als neuartiges Trägersystem für Wirkstoffe vorgestellt (Gasco 1993, Müller und Lucks 1996).
SLN bestehen aus festen Lipiden oder lipidähnlichen Substanzen, in die Wirkstoffe eingearbeitet werden können, einem oder mehreren Emulgator/en und Wasser. Die mittlere Partikelgröße der SLN liegt im Bereich von ca. 50-1000 nm. Gegenüber anderen Wirkstoffträgern haben SLN folgende Vorteile (Müller et al. 1995, Müller et al. 2000): Labile Wirkstoffe werden vor chemischer Zersetzung geschützt, eingearbeitete Wirkstoffe können kontrolliert freigesetzt werden, die Weiterverarbeitung zu Cremes und Gels ist problemlos. Gleichzeitig wird die Haut durch das Erhöhen der Hautfeuchtigkeit gepflegt und schädliche UV-Strahlung abgeblockt.


UV-Absorptionsspektren von reinen SLN-Dispersionen (links) und Emulsionen (rechts) (Lipidgehalt 40 %, 20 % und 10 %)

SLN als physikalische Lichtschutzfilter
In der Abbildung oben sind Absorptionsspektren von SLN-Dispersionen unterschiedlicher Konzentrationen im Vergleich zu traditionell auf dem Markt befindlichen Emulsionen gleicher Lipidkonzentration zusammengefasst. Je größer die Schutzwirkung, desto höher ist die Absorption. Dabei ist eine deutliche Erhöhung der Absorption der SLN-Dispersionen – verglichen mit den jeweils gleich konzentrierten Emulsionen – zu erkennen. Dies beruht auf der Tatsache, dass hochkristalline SLN wesentlich stärker streuen als flüssige Emulsionströpfchen.
Die Absorptionswerte hängen deutlich von der Konzentration der Lipidphase ab. In den durchgeführten Versuchen konnte gezeigt werden, dass feste Lipid-Nanopartikel auf Grund von Streuung und Reflektion von eingestrahltem Licht sehr gute physikalische Lichtschutzmittel darstellen.
Da SLN ein Trägersystem für Arznei- und kosmetisch aktive Wirkstoffe sind, wurde ein chemischer Lichtschutzfilter (Oxybenzon) in SLN eingearbeitet und die UV-blockierenden Eigenschaften untersucht. Ziel dieser Versuche war es, die positiven Eigenschaften von Oxybenzon zu nutzen und SLN durch Einarbeitung in den physikalischen UV-Blocker zu verstärken.


UV-Absorptionsspektren von SLN-Dispersionen und Emulsionen mit eingearbeitetem Oxybenzon (O) (5 % und 10 % bezogen auf das Lipid)

SLN als Trägersystem für chemische Lichtschutzfilter
Die Abbildung oben zeigt die Absorptionsspektren von Oxybenzon-haltigen SLN-Dispersionen und Referenzemulsionen. Man sieht, dass SLN mit fünf Prozent Oxybenzon eine stärkere Wirkung hat als Emulsionen mit zehn Prozent Oxybenzon. Damit könnten bei gleicher Schutzwirkung potentielle Nebenwirkungen reduziert werden.
In meinen Studien konnte ich zeigen, dass SLN physikalische Lichtschutzfilter sind und stärker UV-Strahlung abblocken als traditionelle Emulsionen gleicher Partikelgröße. Gleichzeitig ist das Einarbeiten von chemischen Lichtschutzfiltern in SLN möglich, was zu physikalisch und chemisch langzeitstabilen SLN-Dispersionen führt, wodurch sich die Schutzwirkung erhöht. Dabei führt das Einarbeiten von molekularen Lichtschutzfiltern in SLN zu einer synergistischen, das heißt überadditiven Wirkungsverstärkung. Dadurch kann bei gleich bleibender Wirkung der Anteil chemischer Lichtschutzfilter reduziert werden. Das bedeutet, dass der Wirkstoff länger an der vorgesehenen Stelle verbleibt, somit effektiver ist und Nebenwirkungen dadurch vermindert werden. Die Ergebnisse belegen, dass SLN ein geeignetes, innovatives Trägersystem für die Entwicklung neuer Sonnenschutzmittel darstellen.

Literatur

Bennat, C.: Lichtschutz mit Mikropigmenten – Beitrag zur physikochemischen Charakterisierung, galenischen Stabilisierung und Untersuchung des Penetrationsverhaltens von mikrofeinem Titandioxid und Zinkoxid. Dissertation, TU Braunschweig (1999)

Chisvert, A., Salvador, A., Pascual-Marti, M.C.: Simultaneous determination of oxybenzone and 2-ethylhexyl-4-methoxycinnamate in sunscreen formulations by flow injection-isodifferential derivative ultraviolet spectrometry. Anal. Chim. Acta 428, 183-190 (2001)

Gabard, B., Bieli, E., Lüdi, S.: Moderne Konzepte im Sonnenschutz. Swiss Pharma 21 (6), 13-19 (1999)

Gasco, M.R.: Method for producing solid lipid microspheres having a narrow size distribution. US Patent USS 5250236 (1993)

Kindl, G., Raab, W.: Licht und Haut: Bräunung, Lichtschutz, Pflege. Govi Verlag, Frankfurt, 3. Auflage (1993)

Müller, R.H., Mehnert, W., Lucks, J.S., Schwarz, C., zur Mühlen, A.m Weyhers, H., Freitas, C., Rühl, D.: Solid lipid nanoparticles (SLN) – an alternative colloidal carriersystem for controlled drug delivery. Eur. J. Pharm. Biopharm. 41 (1), 62-69 (1995)

Müller, R.H., Lucks, J.S.: Arzneistoffträger aus festen Lipidteilchen, Feste Lipidnanosphären (SLN). European Patent EP 0605497 (1996)

Müller, R.H., Mäder, K., Gohla, S.: Solid lipid nanoparticles (SLN) for controlled drug delivery – a review of the state of the art. Eur. J. Pharm. Biopharm. 50 (1), 161-178 (2000)

Schwarzenbach, R.: Die Entwicklung von UV-Filtern. TW Dermatologie 20, 381ff (1990)

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