FU Berlin

Bild: Dilger

 

Leben mit AIDS in Tanzania

Ein Forschungsprojekt zur Lebenssituation von HIV-Infizierten und ihren Familien

Hansjörg Dilger

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist AIDS zu einer globalen Epidemie geworden und hat über 24 Millionen Menschen das Leben gekostet. Besonders betroffen ist das subsaharische Afrika, wo über 70% der weltweit 40 Millionen HIV-Infizierten leben. Bis zu 35% der Bevölkerungen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren sind hier mit HIV infiziert. Mit Ausnahme Ugandas steigt die Infektionsrate in afrikanischen Staaten stetig an, weshalb ein Großteil der in Afrika gestarteten Präventions- und Aufklärungsprogramme, die, wenn überhaupt, auf Kurzforschungen gründen, als gescheitert gelten muss. Ganz offensichtlich stützte man sich zu lange auf westliche Vorstellungen von Sexualität, Krankheit und Prävention, und damit auf Modelle westlicher AIDS-Arbeit. Der soziokulturelle Kontext, in dem sich die Ausbreitung von AIDS in Afrika vollzieht, wurde bislang weitgehend vernachlässigt oder zum ‘krankheitsfördernden’ Faktor erklärt.

Mit qualitativen Forschungsansätzen und ihrer klassischen Methode der teilnehmenden Beobachtung ist die Ethnologie besonders geeignet, differenziertere Einblicke in kulturelle Konstruktionen von Sexualität und Krankheit und in individuelle, aber auch kollektive Handlungen und Praktiken zu geben, die die Ausbreitung von AIDS nachvollziehbarer machen. Nur durch längere Forschungsaufenthalte und die intensive Teilnahme am Leben der Menschen im untersuchten Land kann der Kontext sexuellen Verhaltens und sozialer Praxis, und somit deren eigentliche Bedeutung, verstanden werden. Dies sollte für die Planung von AIDS-Programmen eine unabdingbare Voraussetzung sein. Im Mittelpunkt von Studien steht aber nicht nur die Überlegung, wie HIV-Neuinfektionen künftig besser verhindert werden können. Außerdem müssen Antworten gefunden werden, wie Gesellschaften des subsaharischen Afrika mit der steigenden Zahl von HIV-Infizierten und AIDS-Patienten umgehen können.

Ein Forschungsprojekt am Institut für Ethnologie der Freien Universität Berlin, das von Prof. Dr. Ute Luig geleitet und seit September 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird, geht diesen Fragen nach. In städtischen und ländlichen Regionen Tanzanias wird untersucht, wie HIV-Infizierte und ihre Familien den Lebensalltag und ihre Erkrankung meistern. Außerdem wird gezeigt, welche Hilfestellungen die betroffenen Familien von ihrem sozialen Umfeld sowie von staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen erhalten. Besonders in ländlichen Gebieten werden AIDS-Kranke von der Gesellschaft stigmatisiert. Das DFG-Projekt untersucht deshalb, inwieweit dies die Lebenssituation von HIV-Infizierten und den Umgang mit der Krankheit und der eigenen Sexualität beeinflusst.
Im Rahmen des Projekts wurden 1999/2000 Feldforschungen in Dar es Salaam, der größten Stadt Tanzanias, und in der ländlichen Mara-Region am östlichen Viktoriasee durchgeführt. Das ländliche Gebiet wird von den Luo bewohnt, die in Tanzania – im Vergleich zum benachbarten Kenia – eine verhältnismäßig kleine ethnische Gruppierung bilden. Die Luo leben vorwiegend von der Feldarbeit, dem Fischfang und Kleinhandel. In steigendem Maße zieht die jüngere Generation heute jedoch in die Städte, wo sie sich materiellen Wohlstand erhofft. Neben der Arbeitsmigration führen die Überfischung des Viktoriasees und lange Trockenperioden in den vergangenen Jahren zu einer zunehmenden Verarmung des Gebiets.

AIDS verstärkt diese Verarmung zusätzlich. Da das HI-Virus vorwiegend durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr, aber auch pränatal oder während der Stillzeit übertragen wird, sind oft ganze Familien direkt von einer Infektion betroffen. Durch kulturelle Institutionen wie die Polygynie und das Levirat (siehe Glossar) besteht zudem eine erhöhte Infektionsgefahr für die Verwandten aus den Großfamilien. In einem sozialen Umfeld, das AIDS-Kranke stigmatisiert, müssen viele Familien daher lernen, emotional mit zahlreichen Krankheits- und Todesfällen umzugehen. Eine HIV-Infektion destabilisiert zudem die ökonomischen Grundlagen von Familien – nicht nur da zu Beginn der Epidemie vor allem die „Brotverdiener“ von Großfamilien an AIDS starben (Panos Institute 1992). Auch müssen sowohl während der Krankheit als auch nach dem Tod eines Verwandten neue Strategien entwickelt werden, um die knapper werdenden Ressourcen für die Hinterbliebenen zu nutzen. Schließlich müssen innerhalb des Familienverbandes Angehörige die Pflege erkrankter Familienmitglieder übernehmen, da vielfach das Geld fehlt, um sie in einem der ohnehin überlasteten Krankenhäuser behandeln zu lassen.


Bild Dilger: Broschüre über HIV-Tests vor der Ehe

AIDS betrifft familiäre Einheiten also auf sehr unterschiedlichen Ebenen und trägt dazu bei, dass die Institution Familie, die durch die jüngeren sozialökonomischen Entwicklungen in Afrika ohnehin beeinträchtigt wurde (Kilbride & Kilbride 1990), einen Teil ihrer integrierenden und stabilisierenden Funktion verliert. Dabei werden im Kontext von AIDS gerade die ökonomisch Schwächeren von denjenigen im Stich gelassen, die der Tradition nach besonders solidarisch sein müssten: Bei den Luo sind dies die Brüder der patrilineage, die für die finanzielle und emotionale Versorgung eines Mannes, aber auch dessen Familie, zuständig sind. Insbesondere junge Frauen leiden unter einer immer schlechteren Versorgung und werden vereinzelt einem einsamen Tod überlassen. Verfügen HIV-Infizierte hingegen über einen gewissen Wohlstand, ist die Hilfsbereitschaft der Familie oft größer.


Foto Dilger: Der Welt-AIDS-Tag wird jährlich von der Regierung in Dar es Salaam begangen

Innerhalb der Familien wird kaum über die Krankheit gesprochen, was künftige Infektionen begünstigt. Viele HIV-Infizierte fürchten die soziale Isolation und eine damit verbundene schlechte Betreuung, wenn sie ihre Angehörigen oder den/die Partner/in über ihre Krankheit informieren. In der Regel teilen aber auch Ärzte regionaler Krankenhäusern ihren Patienten die Diagnose AIDS nicht selbst mit, sondern sprechen – wenn überhaupt – mit deren Angehörigen. Vielfach verschweigen die Familienmitglieder wiederum den Betroffenen die Diagnose und wenden sich aus Angst vor Ansteckung oft stillschweigend von ihnen ab.

Es ist aber nicht allein die Angst vor einer Infektion mit HIV oder vor dem zu erwartenden Pflegeaufwand, die zur Isolation von HIV-Infizierten führen können. Von den meisten Luo wird AIDS nicht als eine ausschließlich körperliche Erkrankung im biomedizinischen Sinn empfunden, sondern steht als Metapher für die Zerrüttung der Gesellschaft und als Symptom eines „kranken“, modernen Lebens (Dilger 1999: 43f.). Das Benennen einer HIV-Infektion ist gleichbedeutend mit dem Vorwurf – beziehungsweise dem Eingeständnis – eines unmoralischen Lebenswandels. Innerhalb der meisten Familien existiert daher eine Anzahl paralleler Diskurse über die Natur der Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten, welche die Diagnose AIDS meist nur indirekt thematisieren: Sowohl die Infizierten selbst, als auch die Familien, sind bestrebt, andere Erklärungen für die AIDS-Erkrankung in der Familie plausibel zu machen und damit die Frage nach ihrer möglichen Heilbarkeit aufzuwerfen. In der ländlichen Region sprechen HIV-Infizierte und ihre Familien vor allem über chira. Chira resultiert aus einem Tabubruch in der Familie, der als Fluch zu einer Serie von Todesfällen führt. Die Bedrohung durch chira kann jedoch durch traditionelle Heilverfahren abgewandt werden (siehe Glossar; vgl. zur Assoziation von AIDS mit Tabubrüchen im südlichen Afrika auch: Wolf, im Druck).

In Form von Gerüchten gelangen Diskurse über chira, aber auch über andere mögliche Ursachen für die Erkrankung – wie zum Beispiel Tuberkulose – an die Dorföffentlichkeit und bestimmen, welche Version der Krankheit von der Mehrheit im Dorf angenommen wird. Von Bedeutung, welcher Version geglaubt wird, sind das physische Wohlergehen der betroffenen Person, weitere Erkrankungen in der Familie, aber auch Berichte über (Miß-)Erfolge eines Heilers. Insbesondere bei jüngeren Frauen geht die Dorföffentlichkeit bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung inzwischen jedoch von AIDS aus. Dennoch würde dies niemand gegenüber einem engen Familienmitglied behaupten und auch bei Begräbnissen wird höchstens hinter vorgehaltener Hand über eine AIDS-Erkrankung des Toten gesprochen. Damit wird AIDS nicht nur innerhalb der Familien, sondern auch in der Dorfgemeinschaft tabuisiert: Es gibt einen Konsens, nach dem von AIDS betroffene Familien nicht mit der „Schande“ konfrontiert werden und es ist eine kaum zu durchbrechende Atmosphäre des gemeinschaftlichen Schweigens entstanden.


Bild Dilger: Plakat zur AIDS-Prävention in Tanzania: „Ich nehme Rücksicht auf meinen Partner, deshalb verwende ich Kondome.“

Die tanzanische Regierung hat bislang kein überzeugendes Konzept vorgelegt, wie sie auf die gesellschaftliche Tabuisierung von AIDS und auf die zunehmend schlechte medizinische Versorgung von AIDS-Patienten reagieren wird. Vielmehr sichert sich die Regierung durch eine Reihe von spektakulären Auftritten zum Welt-AIDS-Tag und verschiedenen Aufklärungskampagnen das Wohlwollen internationaler Geldgeber, ohne aber den geschilderten Missstand aktiv zu bekämpfen. Offiziell ist in Tanzania beispielsweise die medizinische Behandlung in staatlichen Krankenhäusern für HIV-Infizierte frei. Doch die wenigen, die dies wissen, sehen sich mit der in diesen Einrichtungen stark verbreiteten Korruption konfrontiert. Gleiches gilt für den Umgang der Regierung mit AIDS-Waisen, die offiziell kein Schulgeld zahlen müssen. Da die Regierung jedoch das Schulgeld nicht übernimmt, sind die Grundschulen hiermit völlig überfordert.

Die staatliche Versorgungslücke wird teilweise von international finanzierten Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO’s), aber auch von neuen religiösen Bewegungen aufgefangen, die sich vor allem in den urbanen Zentren Tanzanias formiert haben (siehe Dilger, 2001). Für das DFG-Projekt wurden die Aktivitäten von NRO’s und von kirchlichen Organisationen in Dar es Salaam untersucht, das an der Ostküste des Landes – 1000 km von der ländlichen Forschungsregion entfernt – liegt.

In Dar es Salaam gründete sich 1995 eine Organisation von HIV-Infizierten, SHDEPHA+, deren Ziel die Durchsetzung „positiven Lebens mit HIV/AIDS“ in der Gesellschaft ist. Die Mitglieder von SHDEPHA+ versuchen „offen“ mit ihrer Krankheit umzugehen – nicht nur untereinander, sondern auch in ihren Familien und ihren Gemeinden. Allerdings fragen misstrauische Stimmen aus der Bevölkerung angesichts des guten gesundheitlichen Zustands vieler Mitglieder, ob diese tatsächlich HIV-infiziert sind oder ob sie nur an internationale AIDS-Gelder gelangen wollen. Auch viele HIV-Infizierte meiden diese Organisation, da sie das Bekanntwerden ihrer Krankheit scheuen. Der größere Teil der in der Relation wenigen Infizierten, welche eine institutionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sucht daher eine von insgesamt vier weiteren AIDS-NRO’s auf. Diese bieten ihren Mitgliedern zum Teil kostenlose medizinische und psychosoziale Beratung sowie den Besuch von Selbsthilfegruppen an. Eine der NRO’s hat sich auf die rechtliche Unterstützung – zum Beispiel in Erbstreitigkeiten – spezialisiert und unterstützt die Infizierten bei der Ausarbeitung eines Testaments. Andere geben Hilfen, die von Nahrungsmitteln über kleine Geldbeträge bis zur Bezahlung des Schulgeldes für die Kinder von Infizierten reichen.


Foto Dilger: HIV-infizierte Mitglieder der NRO SHDEPHA in Dar es Salaam

Teilweise leben Infizierte im Kontext der NRO’s schon bis zu zehn Jahre mit dem Virus, obwohl die medizinische Versorgung „nur“ die Behandlung opportunistischer Infektionen mit herkömmlichen Medikamenten umfasst. Besonders wichtig für diesen Erfolg ist aber auch die Beratung und der Austausch in Selbsthilfegruppen, wodurch die Infizierten lernen, ihre Krankheit zu akzeptieren und verantwortlich mit ihrer Sexualität umzugehen. Da HIV-Infizierte diese Informationen an ihre Familien und Gemeinden weitergeben, wirken sie auch als Multiplikatoren von AIDS-Programmen.

Auch Kirchen haben sich der AIDS-Problematik vereinzelt angenommen. Religiöse Organisationen haben in der Epidemie lange eine ambivalente Rolle gespielt. In Tanzania finden sich bis heute Stellungnahmen hochrangiger Kirchenvertreter in den Medien, die die Kondomwerbungen von Regierung und NRO’s scharf kritisieren und für einen „moralischeren“ Lebenswandel plädieren. In den meisten christlichen und islamischen Organisationen gilt AIDS nach wie vor als eine Strafe Gottes und als Zeichen für das nahende Weltende. Indirekt wird damit HIV-Infizierten selbst die Schuld an der Erkrankung – als Folge seines „sündhaften“ Lebens – zugeschoben. Religion kann so zur Stigmatisierung Infizierter und eventuell zu ihrem Ausschluss aus dem sozialen Leben beitragen (Gruénais 1999).


Foto Dilger: Die Full Gospel Bible Fellowship Church in Dar es Salaam, nach eigenen Angaben das größte Kirchengebäude Ostafrikas mit einem Fassungsvermögen von annähernd 12000 Menschen.

Die Zuschreibung von AIDS als eine von Gott gebrachte Krankheit hat – in den Augen der Bevölkerung – jedoch eine Kehrseite: Wenn AIDS durch Gott gebracht wird, kann die Krankheit durch Gott auch wieder geheilt werden. Die Tatsache, dass die Biomedizin, die auch in Tanzania als mächtigste Instanz menschlicher Heilkraft gilt, bislang kein Heilmittel für AIDS gefunden hat, verstärkt diese verbreitete Überzeugung. Eine wahrscheinliche Folge davon ist nicht nur, dass sowohl in den Städten, als auch in ländlichen Gebieten, zahlreiche Geschichten von AIDS-Wunderheilungen kursieren. Auch tragen spirituell-religiöse Konzeptionen für viele Menschen mit HIV/AIDS gerade in den urbanen Zentren dazu bei, ihre Kraft für das Leben mit der Krankheit vorwiegend aus ihrer Religion und ihrem Glauben zu schöpfen (Dilger).

Exemplarisch für die Bedeutung religiöser Gemeinschaften ist die 1989 gegründete Full Gospel Bible Fellowship Church (FGBFC), die landesweit 120 000 „errettete“ Mitglieder hat und eine der am schnellsten wachsenden Kirchen Tanzanias ist. Ihre Attraktion besteht in spirituellen Heilungen, die sowohl kollektiv sonntags, als auch in individuellen Sitzungen unter der Woche durchgeführt werden. Besonderes Aufsehen erregte die Kirche 1999, als sie spezielle Tage zur Heilung von AIDS-Kranken einrichtete, die wöchentlich ca. 40 HIV-Infizierte anzogen. Trotz der Ambivalenz derartiger Heilungen hilft die Pfingstkirche vielen AIDS-Kranken durch praktische Maßnahmen. So existiert in der Gemeinde in Dar es Salaam ein informelles Netz der Solidarität, das auch im Falle einer AIDS-Erkrankung aktiv wird. In den vielen kleinen home churches mit rund 20 Mitgliedern wird bei schwerer Krankheit ein Hilfsdienst organisiert, der sich nicht auf das Beten beschränkt. Für alleinstehende Kranke übernehmen Gemeindemitglieder das Kochen und Waschen. In Einzelfällen wird Geld für die medizinische Behandlung oder das Begräbnis gesammelt.
Die Forschungsergebnisse zeigen also, dass NRO’s und religiöse Organisationen eine wichtige Funktion in der sozialen Absicherung von HIV-Infizierten spielen, insofern ihre Arbeit familiäre Defizite kompensieren kann. Weitere Forschungen sind jedoch notwendig, um einen tieferen Einblick in den Umgang afrikanischer Gesellschaften mit der Bedrohung AIDS zu gewinnen. Das Institut für Ethnologie der Freien Universität strebt daher zusammen mit den Universitäten Gießen und Erlangen einen interdisziplinären Forscherverbund an, der mittelfristig durch die DFG gefördert werden soll. Die Kooperation zwischen Wissenschaftlern, im Verbund mit Organisationen wie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), soll eine bessere Voraussetzung für die Gestaltung derjenigen AIDS-Programme schaffen, die bislang kaum Veränderung brachten. Im Mittelpunkt des Interesses wird dabei stehen, wie sich die Ausbreitung der Epidemie in Afrika aufhalten lässt und wie die Versorgung von Infizierten und AIDS-Waisen verbessert werden kann. Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe stellt sich jedoch mit Dringlichkeit auch die Frage, wie eine gesellschaftliche Kohärenz, die im subsaharischen Afrika durch das Sterben einer ganzen Generation nachhaltig bedroht ist, überhaupt noch gesichert werden kann.


Foto Dilger: Mit einer gemeinsamen Taufe wird die Errettung durch die Pfingstkirche in Dar es Salaam ofiziell markiert.

Glossar:

Chira (sprich ‘Tschira’): Die Verletzung sozialer Regeln kann eine AIDS-ähnliche Krankheit nach sich ziehen. Diese Regeln betreffen in erster Linie die Feldarbeit und die zeitliche Abfolge von Begräbnisritualen, und sind meistens mit der Regelung von Sexualität verbunden. Eine kurative Behandlung von chira mit traditioneller Medizin ist möglich.

Levirat (‘Witwenerbe’): Nach dem Tode eines Luo-Mannes wird die Witwe oft von einem seiner Brüder, oder einem anderen seiner männlichen Verwandten, durch rituellen Geschlechtsverkehr geerbt. Ideellerweise trägt er fortab die soziale und ökonomische Verantwortung für die Witwe und ihre Kinder.

Patrilinear: Verwandtschaftliche Zugehörigkeit zur Familie des Vaters regelt die Erbfolge und den sozialen Status einer Person. Frauen wechseln bei Heirat in die patrilineage ihres Mannes.

Pränatale HIV-Infektion: Virusübertragung von der Mutter auf das ungeborene KindPfingstkirchen: Bezeichnungen für die in ganz Afrika, aber auch weltweit, zunehmenden Kirchen, die oft spirituelle Heilungen von Kranken durchführen, meist einen apokalyptischen Charakter haben und von ihren Anhängern – besonders hinsichtlich ihrer Sexualität – hohe moralische Integrität erwarten.

Polygynie: Ehe zwischen einem Mann und zwei oder mehreren Frauen

SHDEPHA+: Service Health and Development for People Living with HIV/AIDS

Literatur:

Dilger, Hansjörg (1999): Besser der Vorhang im Haus als die Fahne im Wind. Geld, AIDS und Moral im Ländlichen Tanzania. Münster-London: LIT Verlag.

Dilger, Hansjörg (2001): ‘Living PositHIVely in Tanzania’: the Global Dynamics of AIDS and the Meaning of Religion for International and Local AIDS Work. In: afrika spectrum 36 (1), (Gastherausgeber Hansjörg Dilger), Schwerpunktheft ‘AIDS in Afrika. Broadening the Perspectives’.

Gruénais, Marc-Éric (1999): La Religion Préserve-t-elle du Sida? In: Cahiers d’Études Africaines (39), 2, Issue 154: 253-270.

Kilbride, Philip Leroy and Janet Capriotti Kilbride (1990): Changing Family Life in East Africa: Women and Children at Risk. The Pennsylvania State University Press: University Park and London.

Panos Institute (Hrsg. Olivia Bennett) (1992): The Hidden Cost of AIDS. The Challenge of HIV to Development. London et al.: Panos Institute.

Wolf, Angelika (2001): AIDS, Morality and Indigenous Concepts of Sexually Transmitted Diseases in Southern Africa. In: afrika spectrum, (Gastherausgeber Hansjörg Dilger), Schwerpunktheft ‘AIDS in Afrika. Broadening the Perspectives’.