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Warum Primaten lieber schweigen

Kommunikative Strategien auf vormenschlicher Entwicklungsstufe

Prof. Dr. Dietmar Todt

Wenn nicht-menschliche Primaten schreien oder lachen ist die Ähnlichkeit mit dem Menschen groß. Um sich zu verständigen, verwenden Tiere in der Regel akustische, chemische oder optische Signale. Besonders Primaten, die dem Menschen biologisch nahe stehen, sind in der Lage, sich durch vokale Signalmuster mit ihren Artgenossen zu „unterhalten“. Dabei macht der Verhaltensbiologe
Prof. Dr. Dietmar Todt allerdings eine erstaunliche Entdeckung: Anders als ihre menschlichen Artgenossen sind die Primaten Meister im Zuhören und Deuten von Zeichen. Vieles spricht dafür, dass die Weiterentwicklung von kognitiven Fähigkeiten zunächst erfolgreicher gewesen sein könnten, als der Ausbau von willkürlich eingesetzten Signalsystemen. Es ist deshalb zu vermuten, dass sich diese stammesgeschichtlich erst später, und im Zusammenhang mit Anreizen für narrative Leistungen, ausgebildet haben könnten.

Der Wunsch, Tiere belauschen und verstehen zu können, ist zwar uralt, aber noch immer weit verbreitet. Unsere Arbeitsgruppe hat deshalb Antworten auf die Frage gesucht, welche sprachähnlichen Verständigungsformen sich bereits auf der vormenschlichen Entwicklungsstufe ausgebildet haben. Dabei konzentriert sich unsere AG vor allem auf Leistungen von Organismen, die biologisch besonders nah mit dem Menschen verwandt sind. Derartige Lebewesen heißen Primaten (=Herrentiere). Da der Mensch – als Homo sapiens sapiens – taxonomisch ebenfalls zu den Primaten gehört, werden die übrigen Mitglieder dieses Tierstammes als „nicht-menschliche Primaten“ bezeichnet.





Vokalisationen als Schlüsselsignale
Anders als Menschen kann man Tiere nur in Ausnahmefällen direkt befragen. Daher erfordert die Entschlüsselung ihrer Kommunikation meist einen breit und mehrstufig angelegten Ansatz. Hierbei wird zum Beispiel erforscht, welches Individuum (Sender-System) welche Nachricht (Botschaft) mit welchem Übermittler (Signal) an welches andere Individuum (Empfänger-System) adressiert und wie letzteres darauf antwortet. Ferner wird berücksichtigt, unter welchen Bedingungen ein Signalaustausch stattfindet, welche unmittelbaren Konsequenzen er hat und was sich daraus für seine biologische Funktion, beziehungsweise die Bedeutung der eingesetzten Signale ableiten lässt.

Die im Tierreich am häufigsten verwendeten Signalmuster sind entweder akustischer, optischer oder chemischer Natur. Im Anwendungsfall wird jeweils jene Signalqualität gewählt, die für die Problemlösung am besten geeignet ist. Wenn es beispielsweise darum geht, langfristig gültige Mitteilungen zu machen, werden meist chemische Signale (Pheromone) oder dauerhafte optische Signale wie Strukturbildungen oder Körperzeichnungen genutzt. Wenn es dagegen um einen schnellen Austausch verschiedener Nachrichten geht, ist der Einsatz zeitlich flexibler Ausdrucksmuster das Kommunikationsmittel der Wahl. Hierbei greifen die Affen, außer auf ihre Gestik und Mimik, vor allem auf ihre ausgefeilten Lautäußerungen zurück.

Akustische Signalmuster bieten den Primaten sehr große Vorteile. Erstens, weil sie, wie andere Säugetiere und Vögel, über komplexe Stimmapparate verfügen und daher in der Lage sind, Vokalisationen zu produzieren, die ihre verschiedenen Nachrichten ebenso differenziert wie effizient abbilden. Zweitens, weil solche Signale selbst dann wirkungsvoll genutzt werden können, wenn die Sichtverbindungen zwischen den Tieren eingeschränkt sind.

Unsere Forschungen zur Verständigung der Primaten konzentrieren sich primär auf deren akustische Kommunikationsformen und erst sekundär auf andere Signalqualitäten. Dafür gibt es wichtige methodische Gründe. Erstens lassen sich die Vokalisationen auf diese Weise elegant aufzeichnen und zweitens auch äußerst detailliert analysieren. Dank der inzwischen fortgeschrittenen Messtechnologie gelingt die Analyse von Lautäußerungen heute viel exakter als jene von anderen Signalmustern und ferner auch so feinkörnig, dass dabei oft mehr als 40 unterschiedliche Signalparameter charakterisiert werden können. Daher kann es kaum überraschen, dass die erfolgreichsten Einblicke in die Verständigung der Primaten in jenen Sozialbereichen erreicht wurden, in denen auffällige Vokalisationen aufzutreten pflegen (Todt et al. 1988).





Berberaffen als Modell
Der Schwerpunkt unserer Untersuchungen zur Verständigung von Primaten liegt auf der Kommunikation von Berberaffen (Macaca sylvanus). Diese Affen leben heute in einzelnen Bergregionen Nordafrikas sowie, halbfrei, in einigen Wildgehegen, zum Beispiel in Salem, Kintzheim oder Rocamadour. Bis zum Beginn der Eiszeiten erstreckte sich das natürliche Verbreitungsgebiet ihrer Vorfahren sogar bis nach Mitteleuropa. Im Unterschied zu den meisten anderen Primatenarten, wo harem-ähnliche Gruppenstrukturen vorherrschen, bilden die Berberaffen Sozialverbände aus, denen jeweils mehrere erwachsene Tiere beiderlei Geschlechts angehören und die männlichen Gruppenmitglieder sogar an der Betreuung des Nachwuchses beteiligt sind. Solche Verbände zeichnen sich durch ein differenziertes Geflecht sozialer Beziehungen sowie durch ein reichhaltiges Repertoire verschiedener Signalmuster aus, das für die Regulation der Beziehungen gebraucht wird (Todt et al. 1992, Todt und Riedelmann 1998).

Wie unsere Studien zeigten, gilt für die Kommunikation der Berberaffen eine Grundregel, die auch im übrigen Tierreich weit verbreitet ist: Für jedes sozial wichtige Problem, das kommunikativ gelöst werden kann, gibt es einen bestimmten, meist unverwechselbaren Signalkomplex. Die jeweilige Anzahl solcher Komplexe hängt von der Lebensweise einer Tierart ab und liegt bei den sozial lebenden Primaten bei ca. 35.

Affenjunge verfügen über viele verschiedene Signalmuster, mit denen sie ihre soziale Umgebung ebenso effektiv beeinflussen können wie ein Menschenkind. Hierzu gehören kurzzeitig wirkende Signale und Langzeitsignale. Letztere sind bei den Berberaffen zum Beispiel als dunkle Fellfärbung ausgebildet, die sich seit der Geburt auffällig von jener der Erwachsenen unterscheidet und erst in das normale Hellbraun übergeht, wenn die Jungen drei Monate alt und damit weniger hilfsbedürftig geworden sind. Die Kontrastfärbung scheint es für die Erwachsenen sehr attraktiv zu machen, sich an der Betreuung der „Babys“ zu beteiligen. Das Interesse an einer solchen Betreuung wird durch ein spezielles Ritual angemeldet, bei dem Mutter und Kind mit auffälligem „Schmatzen“ begrüßt werden. Falls ein „Babysitter“ ein Junges nicht adäquat behandelt, kann dieses durch weithin hörbare Vokalisationen seinen Protest anmelden. Derartige Lautäußerungen gleichen, je nach Gegebenheiten, einem Schreien, Kreischen, Zetern oder Keckern und richten sich hilfesuchend an die jeweilige Mutter oder ein anderes vertrautes Individuum (Todt et al. 1988).
Daneben gibt es auch zahlreiche leise Signalmuster, die vor allem im engen Körperkontakt zur Mutter vorkommen und deren Betreuungsverhalten in besonderer Weise steuern. Die Mehrzahl dieser vokalen Signale überdauert die Zeit der Entwöhnung (ca. 4.-6. Monat) und wird nicht selten sogar noch von den Einjährigen eingesetzt (Hammerschmidt/Todt 1995; Todt et al. 1995).





Spielerische Interaktionen
Bis zur Geschlechtsreife verbringen die Primaten einen großen Teil ihrer Tageszeit mit spielerischen Interaktionen. Solche Sozialspiele sind von Außenstehenden leicht an besonderen Signalen zu erkennen, die offenbar die Nachricht verschlüsseln, „was jetzt folgt, ist nicht ernst, sondern nur spielerisch gemeint“. Ein derartiges Signalisieren ist vor allem beim wechselseitigen Jagen, Ringen und Balgen der Jungaffen wichtig. Wegen der damit oft verbundenen Umdeutung von Annäherungen oder Beißaktionen gilt die Verständigung beim Spiel formal als ein Fall von Metakommunikation. Die am weitesten verbreiteten Spielsignale bestehen in speziellen Körperhaltungen und einer Mimik, bei der der Mund leicht geöffnet ist („Spielgesicht“). Daneben setzen die Berberaffen und viele andere Primaten auch rhythmisch strukturierte Lautäußerungen ein. Beim Balgen der Menschenaffen, zum Beispiel der Schimpansen, gleichen diese Vokalisationen sogar jenem Lachen, das im Humanbereich beim Kitzeln geäußert wird. Wegen solcher und weiterer Ähnlichkeiten gelten die Spiellaute der nichtmenschlichen Primaten heute als stammesgeschichtliche Vorstufe unseres Lachens (Todt et al. 1992).

Primaten leben, bis auf einzelne Ausnahmen, in sozialer Gemeinschaft. Dafür bilden sie Kommunikationsformen aus, mit denen eine Gruppe zusammengehalten oder der Kontakt zwischen bestimmten Individuen abgesichert wird. Die Berberaffen und viele andere Arten nutzen hierfür besondere Rufe, die – dank ihrer tonalen Struktur – eine individuelle Erkennung erlauben und eine große Reichweite haben. Bei Schimpansen werden die Kontakte durch lautstarke Grußrituale aufrecht erhalten (Goodall 1986), und bei einigen Arten, die – wie z.B. die Gibbons – dauerhafte Partnerbindungen entwickeln, kommen Duette vor. Letztere stehen nicht nur im Dienste der Paarbindung, sondern helfen auch, ein gemeinsam besetztes Revier gegen Eindringlinge zu verteidigen.
Das Leben im Sozialverband verlangt eine sinnvolle Regulation des Fortpflanzungsverhaltens der Primaten. Bei den Berberaffen sind die Paarungen auf die Monate Oktober und November konzentriert. Während dieser Zeit steigern die weiblichen Erwachsenen das Interesse der Männchen über Dauersignale, die die Tage ihrer Empfängnisbereitschaft anzeigen. Wie bei anderen Primatenarten gehören dazu eine markante Schwellung und Färbung ihrer Genitalregion sowie spezifische chemische Signale (Sexualpheromone). Obwohl sich die Tiere in der Regel auf Paarungen mit mehreren Männchen einlassen müssen, können sie deren Paarungserfolg gezielt beeinflussen. Dies geschieht vornehmlich durch rhythmische Vokalisationen, die kurz vor dem Abschluss einer Begattung eingesetzt werden (Todt et al. 1995).

Berberaffen und ebenso fast alle anderen Primaten sind typische Kontakttiere. Das heißt, sie verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im engsten Körperkontakt mit Gruppenmitgliedern, die ihnen besonders vertraut sind. Während des Tages geben sich die Tiere dabei meist der gegenseitigen Körperpflege hin. Es gibt gesicherte Hinweise darauf, dass dabei viele subtile Interaktionen stattfinden und dieses Kontaktverhalten eine sozial sehr wichtige Rolle für die Befindlichkeit und speziell den Abbau von sozialem Stress spielt. Wegen prinzipieller methodischer Schwierigkeiten haben sich die Details dieser „taktilen Verständigung“ aber einer zufriedenstellenden Aufklärung noch immer entzogen. Wir rechnen damit, dass die weitere Forschung gerade in diesem Interaktionsbereich noch viele interessante Erkenntnisse zu Tage fördern wird.





Regulation von Konflikt
Ein wesentlicher Teil der Kommunikation von Primaten steht im Dienste der Regulation von Konflikten, die eine Folge der Konkurrenz um wichtige Ressourcen sind. Solche Konflikte können auch zwischen verschiedenen Gruppen vorkommen, treten gehäuft aber innerhalb der sozialen Gemeinschaften auf. Wichtige Ressourcen sind Nahrung, Ruheplätze oder Fortpflanzungspartner. Der Zugang dazu wird über ein System abgestufter Privilegien geregelt, deren Verteilung sich in der sogenannten Rangordnung widerspiegelt. Die Manifestation der Rangordnung erfolgt über meist sehr dauerhafte Signale. Viele davon sind alters- und geschlechtsabhängig, wie körperliche Größe und Gestalt, Fellbeschaffenheit oder Beschaffenheit des Gebisses. Daneben gibt es auch kurzzeitig und situationsbezogen eingesetzte Ausdrucksmuster, etwa mimisches und vokales Drohen oder, als kommunikatives Gegenstück, Signale des Nachgebens, beispielsweise Gesten der Unterwürfigkeit oder ein Angstgesicht und Rufe der Angst. Interessanterweise konnten solche Signale meist als Rituale nachgewiesen werden, die sich stammesgeschichtlich aus Gebrauchsmustern entwickelt haben und über die Artgrenzen hinweg eingesetzt und verstanden werden. Dies gilt etwa für das beschwichtigende Präsentieren, das als eine Geste der Anerkennung eines Ranghöheren aus dem weiblichen Sexualverhalten entlehnt wurde (Zitate in Todt und Küpper, 2001)





Alarmstufe als referentielles Signalsystem
Die meisten Primaten leben mit dem Risiko, die Beute eines Raubtieres zu werden. Um das Risiko zu mindern, setzen sie neben einer besonderen Wachsamkeit in der Regel auch Alarmrufe ein, die sich in der akustischen Struktur unterscheiden und auf diese Weise Informationen über gesichtete Raubfeinde verschlüsseln. Die in Ostafrika heimischen grünen Meerkatzen müssen beispielsweise auf der Hut vor Greifvögeln, Leoparden und großen Schlangen sein. Als Schutzanpassung haben sie daher drei in Struktur und Bedeutung unterschiedliche Alarmrufe entwickelt. Wenn das erste Gruppenmitglied, das einen Adler entdeckt hat, Greifvogel-Alarm gibt, schauen die anderen Affen zum Himmel, schließen sich dem Alarm vielleicht an und flüchten vor allem schnellstens in bodennahes, dichtes Buschwerk, das sie vor den Blicken des Adlers schützt. Bei Leoparden-Alarm oder Schlangen-Alarm wird das Bodengelände überprüft und Sicherheit durch Flucht in die hohen Bäume gesucht (Zitate in Seyfarth et al. 1990).

Ein entsprechendes Signalsystem wurde auch für die Berberaffen nachgewiesen, deren Rufe vor Hunden oder bei Nacht auch vor Menschen warnen, die sich ihren Schlafbäumen nähern (Fischer 1999). Dieses Alarmverhalten gilt als Beispiel für ein referentielles Signalsystem, weil jeder Ruf symbolisch auf einen bestimmten äußeren „Referenten“, hier den jeweiligen Raubfeind, verweist. Solche referentiellen Signalsysteme sind im Tierreich extrem selten (Todt et al. 1995).





Täuschen durch Signaleinsatz?
Können die nicht menschlichen Primaten Täuschungsmanöver inszenieren und dazu Signale einsetzen, die andere Gruppenmitglieder in die Irre führen? Die Antworten dazu sind bislang nicht zufriedenstellend. So kann falscher Signaleinsatz, wie ein Fehlalarm, zwar gegenüber einer anderen Gruppe hilfreich sein, innerhalb der eigenen Gruppe jedoch allenfalls nur einmal etwas bringen. Dies hat damit zu tun, dass die große soziale Intelligenz Primaten normalerweise davor schützt, häufiger auf täuschende Signale hereinzufallen. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Belegen, die nachdenklich und es zumindest schwer machen, subtile Täuschungsmanöver auszuschließen. Solche Belege betreffen Fälle, in denen einzelne Individuen ein situationsspezifisch zu erwartendes Signal offenbar gezielt unterdrücken und sich dadurch aktuelle Vorteile verschaffen können. Derartige Fälle gelten heute als Hinweise auf die willkürliche Steuerung des Kommunikationsverhaltens der Primaten. Inwieweit hierbei aber auch echte Absichten vorliegen, muss erst noch gründlicher überprüft werden.

Zur Überprüfung der Frage, über welche sprachähnlichen Verständigungsformen die nichtmenschlichen Primaten verfügen, wurden mehrere Schlüsselkriterien entwickelt und in oft ausgedehnten Versuchsreihen angewendet (Review in Pinker 1994). Solche Kriterien fordern etwa, dass (1) ein Repertoire aus vielen verschiedenen Signalmustern vorliegen sollte, die in abstrakter Symbolik kodiert sind und nach syntaktischen Regeln kombiniert verwendet werden; (2) die Signalmuster und ihre Bedeutungen durch Lernvorgänge erworben und verändert werden sollten; (3) der Einsatz der einzelnen Signalmuster absichtsvoll erfolgen sollte; und schließlich (4), die mit den Signalen übermittelten Nachrichten zeitlich flexibel sein und nicht ausschließlich den Moment der Signaläußerung betreffen sollten. Das Ergebnis erschien zunächst enttäuschend.
Wie sich herausstellte, konnte weder für die Berberaffen noch für andere freibleibende Primatenarten nachgewiesen werden, dass ihre Kommunikationsformen eines der vier Kriterien voll erfüllen. Erfreulicherweise gab es allerdings Befunde von einigen amerikanischen Forschern, etwa den Gardner’s, den Premack’s sowie Fouts und Savage-Rumbaugh (Zitate in Todt und Kipper 2001). Diesen war es gelungen, einzelnen Menschenaffen, die sie in ihrer eigenen häuslichen Gemeinschaft aufgezogen und trainiert hatten, ausgeklügelte Zeichensprachen beizubringen. Damit wurde gezeigt, dass zumindest Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos prinzipiell Leistungen erbringen können, die den Kriterien (1), (2) und teilweise auch (3) gerecht werden. Leider wurde die Anerkennung dieser Erfolge zeitweilig leicht getrübt. Dazu trug zum einen eine Kritik bei, die der Psychologe Herb Terrace an den Interpretationen der Menschaffenstudien publizierte. Zum anderen trugen dazu Ergebnisse aus Forschungen an Delphinen wie vor auch an Vögeln bei, die nachwiesen, dass auch solche Organismen zu ganz ähnlichen Kommunikationsleistungen fähig sind (Zitate in Hultsch und Todt 2001). Um in diesem Problemfeld endlich mehr Klarheit zu schaffen, wurde das kürzlich in Leipzig gegründete Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie ausdrücklich damit beauftragt, die Formen und Grundlagen sprachähnlicher Verständigungsweisen von nichtmenschlichen Primaten erneut und genauer unter die Lupe zu nehmen.

Viele der vokalen Signalmuster von nichtmenschlichen Primaten können als klar erkennbare Vorstufen unserer eigenen nonverbalen Ausdrucksformen, speziell unserem Schreien und Lachen gelten. Unabhängig davon, welche Ergebnisse künftige Studien auch im Hinblick auf etwaige Vorstufen unserer verbalen Fähigkeiten aufzeigen könnten, ist es schon heute überfällig, die Untersuchung der Verständigung unserer biologisch nächsten Verwandten nicht allein auf Fragen nach sprach-ähnlichen Kommunikationsformen zu konzentrieren. Letzteres ginge an deren wirklichen Leistungen völlig vorbei: Wie wir inzwischen wissen, sind die nichtmenschlichen Primaten nämlich große Meister im Zuhören sowie im Erkunden von Anzeichen und im Herausfinden von Nachrichten, die sich am Ausdrucksverhalten anderer Gruppenmitglieder ablesen lassen.

Vieles spricht dafür, dass die Weiterentwicklung solcher kognitiver Fähigkeiten zunächst erfolgreicher sein könnte, als der Ausbau von willkürlich eingesetzten Signalsystemen, und dass sich diese stammesgeschichtlich erst später und im Zusammenhang mit Anreizen für narrative Leistungen ausgebildet haben könnten (Todt & Kipper 2001).








Literaturverzeichnis

Fischer, J. (1998):
Barbary macaques categorize shrill barks into two calls. Animal Behaviour 55: 799-89.

Goodall, J. (1986):

The Chimpanzees of Gombe. Cambridge, Mass: Harvard University Press.

Hammerschmidt, K. und Todt, D. (1995):
Individiual differences in vocalizations of young Barbary macaques (Macaca sylvanus). Behaviour 132: 831-839

Hultsch, H. und Todt, D. (2001):

Developmental trajectories of complex signal systems in animals. In: Weissenborn, J. & B. Höhle (eds.) Approaches to Bootstrapping during Language Acquisition. Benjamini, Amsterdam; pp. 166-197.

Pinker, S. (1994):

The Language Instinct, William Morrow & Co., London.

Seyfarth, R.M., Cheney, D.L. and P. Marler (1980):

Monkey responses to three different alarm calls: Evidence of predator classification and semantic communication. Science, 210: 801-803.

Todt, D., Goedeking, P. and D. Symmes (1988):

Primate Vocal Communication. Heidelberg, New York: Springer Verlag.

Todt, D.; Hammerschmidt, K. & H. Hultsch (1992):

The behaviour of Barbary macaques (Macaca sylvanus L. 1758): Perspective and projects of a long-term study. Primate Report, 32: 19-30.

Todt, D., Hammerschmidt, K., Ansorge, V. & J. Fischer (1995):

The vocal behavior of Barbary macaques. In: Zimmermann, E., Newman, J & U. Jürgens (eds.): Current topics in primate vocal communication. New York: Plenum Press, pp. 141-160.

Todt, D. & S. Kipper (2001):

Der Begriff Kommunikation in den Biowissenschaften. In: Schmitz, H. & H. Richter (eds). Signifikation. Beiträge zur Kommunikationswissenschaft. Noldus Publikationen, Münster, pp. 27-51.