FU Berlin

 

Sprachen öffnen Welten


Sprachen öffnen Welten -
mit diesem Titel möchten wir Lust machen, sich über die vielfältigen neuen Forschungsprojekte zu informieren, die an der Freien Universität zum Thema "Sprache - Sprachen" stattfinden. Kommunikation findet oft ohne Worte statt – und das schon im Tierreich. Der Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Randolf Menzel entführt Sie in die Welt der Bienen. Schon der Philosoph Aristoteles war über den Tanz erstaunt, mit dem Bienen ihren Artgenossen im Stock die Richtung und Entfernung zu bestimmten Blüten beschrieben. Der Verhaltensbiologe Prof. Dr. Dietmar Todt wendet sich nicht-menschlichen Primaten zu, die, wenn sie schreien oder lachen, große Ähnlichkeiten mit dem Menschen haben. Anders als ihre menschlichen Artgenossen sind die Primaten Meister im Zuhören und Deuten von Zeichen. Doch auch im menschlichen Gespräch spielt die nonverbale Kommunikation eine große Rolle. Wut, Ärger oder Freude spiegeln sich oft in den Gesichtszügen wider. Die Psychologin Maria von Salisch untersucht daher unter anderem ab welchem Alter Kinder sich verstellen und wann sie darüber im Gespräch Auskunft geben können.

Sind alle Sprachen der Welt auf eine gemeinsame Ursprungssprache zurückzuführen? Dieses Problem beschäftigt die Forschung seit Jahrhunderten. Die Philosophin Prof. Dr. Sybille Krämer stellt deshalb die Frage, ob es eine Sprache hinter dem Sprechen gibt. In eine andere Welt führt Prof. Dr. Johannes Renger der anhand mesopotamischer Texte die Welt der antiken Schreiber aufleben lässt und damit zeigt, wie unerlässlich für alte Sprachen die Schriftkultur ist. Um Schriften besonderer Art geht es in dem Beitrag von Prof. Dr. Guido Mensching. Gemeinsam mit einem Kölner Judaisten entschlüsselt der Romanist medizinische Texte jüdischer Ärzte in romanischen Ländern im Mittelalter.

Sprachen muss man lernen, entweder spielerisch als Kleinkind oder mühsamer als Erwachsener. Wie Kleinkinder sprechen lernen, untersucht Prof. Dr. Gisela Klann-Delius, die allerdings auch die Grenzen der Forschung aufzeigt. Der Linguist Prof. Dr. Ekkehard König wendet sich der Frage zu, welchen Mustern und welchen Variationen die verschiedenen Weltsprachen folgen.

Europa wächst zusammen und behält gleichzeitig seine Sprachen. Elf Amtssprachen erkennt die Europäische Union an. In der Zukunft wird es zum Alltag gehören lebenslang Fremdsprachen zu lernen. In seinem Beitrag stellt Dr. Wolfgang Mackiewicz das prominente EU-Projekt DIALANG vor, womit die Bürgerinnen und Bürger Europas künftig im Internet ihre Sprachfähigkeiten testen können. In eine noch weitere Zukunft weist der Beitrag des Informatikers Rául Rojas, den die Frage umtreibt: „Wie sage ich es meinem Computer? – Methoden der automatischen Spracherkennung“.

Was für Pflanzen und Tiere seit längerem erkannt wird, entdecken Sprachforscher erst seit kurzem: Von den 5000 bis 6000 Weltsprachen sind derzeit fast 90% vom Aussterben bedroht. Die Volkswagen-Stiftung hat deshalb ein Projekt in das Leben gerufen, das sich der Dokumentation bedrohter Sprachen widmet. In diesem Rahmen erforscht der Linguist Sebastian Drude die Indianersprache der brasilianischen Awetí, die nur noch von 100 Personen gesprochen wird. Drudes Artikel vermittelt einen spannenden Eindruck von den Freuden, Problemen und Aufgaben eines linguistischen Feldforschers.

Fluchen, Gotteslästern, lästerliches Reden und dauerndes Klagen galten im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als sprachliche Verfehlungen. So existierte bis zum 18. Jahrhundert der Brauch, vor allem Frauen für ihr "Schelten" und Fluchen zu bestrafen. In ihrem Beitrag untersucht die Romanistin Bettina Lindorfer das „Zungen Strafen“, das heisst den Zusammenhang von Sprechen, Moral und Sanktionen in Mittelalter und Früher Neuzeit.

Sprachstörungen, sogenannte Aphasien, können Menschen in ihrer Kommunikationsfähigkeit behindern und damit Welten verschließen. Dr. Ralf Siedenberg und Dr. Gabriel Curio beleuchten in ihrem abschließenden Beitrag, inwieweit Sprachstörungen heilbar sind, beziehungsweise wie die menschliche Hörrinde Vokale und musikalische Dreiklänge automatisch klassifizieren kann. So erkennt das Gehirn einen Vokal unabhängig davon, ob dieser von einem Erwachsenen mit tiefer Stimme oder einem Kind gesprochen wird.

Wie Sie sehen öffnet das Thema Sprache viele verschiedene neue Welten. Die Redaktion wünscht Ihnen, liebe Leserinnen, lieber Leser, viel Spaß bei der Lektüre.

Felicitas von Aretin