FU Berlin

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Speiseplan gegen den Herzinfarkt

Viel Fisch, viel Gemüse – wenig Fett, wenig Alkohol

Prof. Dr. med. Christian A. Barth

Kann man sich durch gesunde Ernährung vor dem Herzinfarkt schützen? Letzte, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse liegen noch nicht vor, aber vieles spricht dafür, das eine ausgewogene Ernährung ganz entscheidend das Erkrankungsrisiko mindert. Welche besondere Rolle der Verzehr von Fisch und Gemüse in diesem Zusammenhang spielt, erläutert Prof. Dr. med. Christian Barth, Leiter des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Der Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität Berlin und das DIfE kooperieren seit der Neugründung des ernährungswissenschaftlichen Instituts im Jahr 1992 intensiv in Forschung und Lehre. Einige seit 1997 an das Universitätsklinikum Benjamin Franklin berufene Professoren sind auch in leitender Funktion am DIfE tätig.

Der Herzinfarkt wie auch andere Kreislauferkrankungen sind das Endereignis einer schleichenden Verengung von Blutgefäßen, die wir Atherosklerose nennen. Bei dem Endereignis Herzinfarkt ist ein thrombotischer Verschluss der Herzkranzarterie beteiligt.
Eindrucksvolle Daten belegen, dass Lebensstil und Ernährungsfaktoren zu sehr unterschiedlichen Häufigkeiten des Herzinfarktes in verschiedenen Gesellschaften führen. So zeigen frühe Beobachtungen aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, dass bei verschiedenen Nationen der Verzehr von gesättigten (hochschmelzenden) Fetten positiv mit der Infarktrate korreliert. Dies erwies sich in der Folge für den Stoffwechselexperten als einleuchtend. Der Blutspiegel des Cholesterols – oder noch präziser, des LDL1-Cholesterols – stellt sich durch seine Abhängigkeit vom Nahrungsfett einerseits und seine gefäßschädigende Wirkung andererseits als plausibles, vermittelndes, biochemisches Agens und damit als mechanistisches Bindeglied heraus.
Gestützt wird dieses Konzept durch ärztliche Beobachtungen: Senkt man bei Patienten mit atherosklerotischen Herzkranzgefäßen den LDL-Cholesterolspiegel durch Medikamente – hier insbesondere durch hochwirksame Statine2 – so lässt sich in einem Teil der Fälle eine Rückbildung der Gefäßverengung und eine Minderung der Infarkthäufigkeit nachweisen.
Trotzdem: Die Datenlage ist alles andere als einfach. Dies liegt an mehreren Umständen: Erstens erhebt sich die Frage, ob solche an Patienten erhobenen sehr überzeugenden Befunde auch für die allgemeine, prima vista nicht erkrankte Bevölkerung Gültigkeit besitzen; zweitens ist zu hinterfragen, ob solche medikamentös hervorgerufenen Effekte auch durch andere Faktoren – wie die uns hier interessierenden Ernährungseinflüsse – hervorgerufen werden können.

Die Bedeutung der LDL-Cholesterolspiegel

Nichtsdestoweniger verfügen wir über gesicherte Erkenntnisse zur Bedeutung der Blut-LDL-Cholesterolspiegel. Zum einen zeigen zellbiologische Untersuchungen, dass diese Lipoproteine – besonders, wenn sie oxidativ verändert sind – durch Stimulierung der Zellteilung in der Gefäßwand mit nachfolgender Fetteinlagerung die Einengung der Gefäße fördern. Zum Zweiten sind die Infarktraten in denjenigen Gesellschaften am höchsten, die durch eine westlich geprägte Wohlstandsernährung bei gleichzeitiger geringer körperlicher Aktivität und hohe mittlere Blut-LDL-Cholesterolspiegel gekennzeichnet sind. Zum Dritten – und das ist epidemiologisch am Überzeugendsten – zeigen prospektive Kohortenstudien, dass diejenigen Personen, die den höchsten Gesamt-Cholesterol- und damit LDL-Cholesterol-Blutspiegel aufweisen, in den nachfolgenden Jahrzehnten das höchste Risiko haben, einen Infarkt zu erleiden.

Information

LDL-cholesterolsenkende, ernährungsabhängige Determinanten

  • Mäßiger Fettverzehr mit Betonung einfach und mehrfach ungesättigter Fette (Gesamtfettverzehr weniger als 30 % der Energiezufuhr)
  • Mäßiger Verzehr gesättigter Fette (weniger als 10 % der Energiezufuhr)
  • Schlanker Habitus (BMI1 unter 25)
  • Ballaststoffreiche Kost (mehr als 30 g/24 h)
  • Verzehr pflanzlicher Sterole

1 BMI = Body Mass Index; häufigst benutztes Maß für Habitus:
Körpergewicht (kg) : Körperlänge2 (m)

Aufgrund dieser konkordanten Daten aus verschiedenen Forschungsbereichen ergibt sich die übereinstimmende Empfehlung zahlreicher nationaler und internationaler Gremien und wissenschaftlicher Gesellschaften, im primär-präventiven Bereich den Hauptakzent auf Ernährungsmaßnahmen zu legen, die den Blut-LDL-Cholesterolspiegel senken. Dieses umso mehr, als die Ernährung eine kostengünstige und vor allem nebenwirkungsfreie und damit ungefährliche Einwirkung auf den Gesundheitszustand erlaubt.


Einseitige und übermäßig fette Ernährung ist neben Bewegungsmangel die häufigste Ursache für Bluthochdruck und Atherosklerose.

Meidung von Übergewicht und gesättigten Fetten wirkt auch der Thromboseneigung entgegen. Besonders betont werden muss hier die Empfehlung, Übergewicht und Fettsucht zu vermeiden. Zum einen ist diese Stoffwechselentgleisung äußerst häufig in westlichen Industrienationen. Zum anderen fördert die Fettsucht durch Auslösung von Blutdrucksteigerung und Insulin-Resistenz auch auf anderen Wegen die Atherosklerose.
In die Praxis umsetzbar sind diese stoffwechselphysiologisch abgesicherten Befunde durch Beachtung folgender Grundregeln:
– Betonung von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, also Gemüse und Obst
– Betonung pflanzlicher Öle
Für viele erweist sich eine Annäherung unserer Ernährungsgepflogenheiten an die „mediterrane” oder „ostasiatische” Kultur mit viel stärkereichen pflanzlichen Lebensmitteln und fettarmen Gartechniken als attraktiver Weg.

Vitamine und Omega-3-Fettsäuren halten den Kreislauf fit

Die Ergänzung unserer Ernährung mit antioxidativ wirksamen Vitaminen und anderen isolierten Substanzen ist sehr stark popularisiert worden und wird von vielen Verbrauchern praktiziert. Ausgangspunkt für entsprechende Empfehlungen sind biochemische Befunde, welche eine gefäßschädigende Wirkung oxidativ veränderter LDL auf die Blutgefäße stützen.
Bisherige Bemühungen, diese in vitro-Befunde am ganzen Organismus zu bestätigen, blieben jedoch weitgehend erfolglos. Weder Kohorten-Studien, geschweige denn Interventions-Studien, haben bisher die These belegen können, dass Nahrungssupplemente – wie Vitamin C, E, Selen, b-Carotin oder andere pflanzliche Inhaltsstoffe – kardiovaskulären Erkrankungen, insbesondere dem Herzinfarkt, bei Gesunden oder Kranken entgegenwirken. Ganz abgesehen davon, ließ sich auch eine Hemmung der LDL-Oxidation durch oral zugeführte Antioxidantien wie Vitamin C oder E nicht am ganzen Organismus nachweisen. Vor Herausgabe einschlägiger Empfehlungen an die Bevölkerung bleibt also nichts übrig, als die Ergebnisse laufender großer Untersuchungen abzuwarten. Zurückhaltung ist auch bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln geboten, da unerwünschte Nebenwirkungen bei hohen Dosen von z.B. Selen oder Vitamin E möglich sind.


Ein hoher Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln mindert das Risiko eines Herzinfarkts.

Wenn sich diese Nahrungsergänzungsmittel, also Einzelsubstanzen, bisher auch nicht als wirksam herausgestellt haben, so gibt es doch überzeugende Hinweise für die Nützlichkeit bestimmter Lebensmittel.
Sieben von zehn prospektiven Kohorten-Studien erbrachten den Nachweis, dass ein hoher Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln – hier vor allem Gemüse – das Risiko eines Herzinfarktes oder von Angina pectoris mindert. Keine der Untersuchungen kam zum gegenteiligen Ergebnis.


Interkulturelle Beobachtungen zeigen, dass Meeresfisch verzehrende Populationen vergleichsweise geringe Inzidenzen von Herzinfarkt aufweisen. Omega-3-Fettsäuren, die Meeresfische aus ihrer Nahrung erhalten und zur Anpassung an die kalte Umgebungstemperatur in ihr Gewebe einbauen, beugen Atherosklerose vor.

Diese übereinstimmenden Daten sind in zweifacher Weise interessant. Zum einen kommen antioxidative Substanzen in Pflanzen in hohen Konzentrationen vor. Interessanterweise müssen sie – falls sie die wirksame Komponente sein sollten – offensichtlich in der komplexen Mischung eines Lebensmittels, anstatt isoliert, zugeführt werden. Zum anderen ergibt sich sowohl für die Verhütung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie von Krebs ein gleichartiges Bild: In beiden Fällen sind pflanzliche Lebensmittel gleichgerichtet primär-präventiv von Bedeutung. Hierin besteht auch die Begründung für die einhellige Unterstützung der von zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften mitgetragenen Kampagne „5 am Tag”. Die zentrale Botschaft dieser Kampagne empfiehlt eine Steigerung unseres mittleren Verzehrs von Gemüse und Obst von jetzt 250 g auf 400 g pro Tag (Näheres hierzu unter http://www.5amtag.de oder Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Postfach 930201, 60457 Frankfurt/Main).
Die drei wasserlöslichen Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 sind im Zusammenhang mit dem Stoffwechsel des Methionins von Bedeutung. Erhöhte Blutspiegel eines Abbauproduktes dieser Aminosäure, nämlich des Homocysteins, gehen einher mit einem erhöhten Risiko für atherosklerotische Gefäßveränderungen. Andererseits können gefäßschädigende Blutspiegel von Homocystein bei Versorgung mit diesen drei Vitaminen in den Normbereich herabgesetzt werden, wobei der Folsäure eine besonders wirksame Rolle zukommt.
Grünes Blattgemüse stellt neben Hülsenfrüchten und Innereien eine herausragende Folatquelle in unserer Ernährung dar, während ein befriedigender Versorgungszustand mit Vitamin B12 durch regelmäßigen Verzehr von Fleisch oder Fisch gewährleistet wird.
Omega-3-Fettsäuren sind langkettige, hochungesättigte Fettsäuren, die Meeresfische aus ihrer Nahrung erhalten und zur Anpassung an die kalte Umgebungstemperatur in ihre Gewebe – genauer in ihre Membranen – einbauen.


Rauchen steigert das Herzinfaktrisiko erheblich.

Diese Fettsäuren wirken hemmend auf mehrere Schritte der atherogenen Ereigniskette. Außerdem zeigen interkulturelle Beobachtungen, dass Meeresfisch verzehrende Populationen vergleichsweise geringe Inzidenzen von Herzinfarkt aufweisen. Mehrere primär-präventiv und sekundär-präventiv ausgelegte Studien haben zudem ergeben, dass fischessende Verbraucher eher von einem Herzinfarkt verschont werden als solche, die Fisch meiden. Hieraus lässt sich die Empfehlung ableiten, ein- bis zweimal pro Woche Meeresfische aus kalten Fanggründen zu verzehren.

Kontrollierte Stoffwechselversuche belegen, dass Alkoholverzehr eine Anhebung der protektiv wirksamen HDL4 bewirken. Epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass ein mäßiger Alkoholkonsum mit einem geringeren Herzinfarktrisiko einhergeht. „Mäßig” bedeutet in diesem Fall weniger als 40 g Alkohol pro Tag für Männer und weniger als 20 g pro Tag für Frauen, also ein bis zwei Gläser eines alkoholischen Getränks.


Hineinbeißen und sich wohlfühlen! Herzinfarkt-Prävention kann auch lecker sein!

Grundsätzlich sollte bedacht werden, dass auch die „gesündeste” Ernährung nur begrenzt nutzbringend ist, wenn nicht auf Tabakkonsum verzichtet und auf normalen Blutdruck und körperliche Aktivität geachtet wird.